• Frage: Ab wann sehen sie einen Menschen nicht mehr als gesund an?

    Frage gestellt Anual am 17 Feb 2022.
    • Foto: Amelie Haugg

      Amelie Haugg Beantwortet am 17 Feb 2022:


      Ich beantworte das einmal für den Bereich der psychischen Gesundheit. Da ist das eine spannende Frage, da unsere Gesellschaft viel beeinflusst, was als psychisch gesund und was als psychisch krank angesehen wird. Früher war man vielleicht von Gott auserkoren oder ein Wahrsager in der Antike und wurde nicht als krank angesehen, heute kann man mit ähnlichen Symptomen als schizophren diagnostiziert werden.

      Mittlerweile wird genau festgelegt, was eine offizielle psychische Störung ist. Alle 10-20 Jahre veröffentlich z.B. die Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft ein Buch, in dem ganz genau beschrieben wird, was sie als psychische Krankheit ansehen, wie diese heißt und welche Symptome dafür erfüllt werden müssen. Manche Krankheiten fliegen dabei in einer neuen Ausgabe raus, manche kommen hingegen dazu. Dabei wird viel diskutiert und gestritten. Momentan gilt zum Beispiel die Sucht nach Essen (wie z.B. Zucker), Internet, oder Sex nicht als offizielle Sucht, obwohl Studien zeigen, dass im Gehirn ähnliche Mechanismen ablaufen wie etwa bei einer Drogenabhängigkeit.

      Eine große Rolle spielt aber auch der Leidensdruck einer Person, also ob sie unter ihrer Krankheit leidet. Wenn du also unter etwas leidest, was nicht in irgendeinem Buch offiziell anerkannt ist, hast du trotzdem genauso ein Recht darauf, dass dir geholfen wird.

    • Foto: Paula Stehr

      Paula Stehr Beantwortet am 18 Feb 2022:


      Wir arbeiten in unserer Forschung mit der Definition für Gesundheit von der WHO (Weltgesundheitsorganisation). Demnach ist Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern ein Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens.

      Neben der Frage, ob jemand eine Krankheit hat, geht es bei Gesundheit also auch darum, wie man sich fühlt. Zum Beispiel, ob man sich in die Gemeinschaft eingebunden fühlt und zufrieden mit dem eigenen Leben ist.

    • Foto: Michael Wessels

      Michael Wessels Beantwortet am 18 Feb 2022:


      Das ist eine sehr spannende Frage, weil es nämlich sehr schwer ist, Gesundheit überhaupt zu definieren.

      Die Weltgesundheitsorganisation (WHO – World Health Organisation) definiert: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Nach dieser Definition wären wohl die wenigsten von uns wirklich gesund. Aber bin ich schon nicht mehr gesund, nur weil ich mich von den vielen Hausaufgaben in der Schule gestresst fühle? Zumindest könnte argumentiert werden, dass durch zu viel Hausaufgaben, das geistige Wohlergehen eingeschränkt wird.

      In der gesetzlichen Krankenversicherung geht man übrigens den umgekehrten Weg: Dort wird Gesundheit definiert als Abwesenheit von Krankheit. Gesund bin ich danach also, wenn ich keine Krankheit habe. Jetzt muss aber Krankheit definiert werden… Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte wird Krankheit als ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand definiert, der Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.

      Insofern könnte man argumentieren, dass ich krank (und damit nicht mehr gesund) bin, wenn ich von einem Arzt behandelt werden muss oder wenn ich nicht mehr arbeiten kann.

      Mich persönlich hat das Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovsky überzeugt, wonach Menschen nicht entweder gesund oder krank sind, sondern es fließende Übergänge gibt, d. h. wir sind gleichzeitig gesund und krank. Man kann sich das wie ein Pendel zwischen den beiden Polen gesund und krank vorstellen. Mal schwingt das Pendel etwas mehr in Richtung gesund, mal in Richtung krank. Wir befinden uns also zwischen diesen beiden Polen Gesundheit und Krankheit.

      Ich finde das sehr einleuchtend. Ich bin also nicht vollständig gesund und auch nicht vollständig krank. Selbst wenn ich erkältet bin und einen furchtbaren „Männerschnupfen“ habe, geht es mir zwar nicht gerade gut, aber ich habe immer noch gesunde Beine, mit denen ich laufen kann. Ich bin zwar Brillenträger und insofern sind meine Augen nicht mehr vollständig gesund, aber mit der Brille kann ich immer noch genügend sehen. Ihr könnt sicher auch unzählige weitere Beispiele finden, in denen jemand vielleicht nicht mehr vollständig gesund, aber auch nicht vollständig krank ist.

      Schreibt Eure Beispiele gerne in das Kommentarfeld. Ich bin gespannt, welche Beispiele da so zusammen kommen…

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