• Frage: @Mihaela Wie unterscheiden sich Tier- und Pflanzenzellen bei dem Alterrungsprozess?

    Frage gestellt von CaroH. an Mihaela am 16 Feb 2022.
    • Foto: Mihaela Bozukova

      Mihaela Bozukova Beantwortet am 16 Feb 2022:


      Danke für diese spannende Frage. Ich habe bisher noch nicht an Pflanzen geforscht und um ehrlich zu sein auch nicht wirklich über das Altern bei Pflanzen nachgedacht. Danke also für den Denkanstoß!
      Ich habe mir jetzt ein bisschen was angelesen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit (und bin offen für Input von Anderen):

      So ziemlich alle Säugetiere altern in einem für die jeweilige Spezies typischen Tempo (Ausnahme hier bilden die hochinteressanten Nacktmulle, die keine Anzeichen von Altern zeigen und über 30 Jahre alt werden können – im Vergleich dazu, werden Mäuse, die ähnlich groß wie Nacktmulle sind, „nur“ 2-3 Jahre alt). Bei Pflanzen spricht man von Seneszenz, das ist der Alterungsprozess, der einerseits genetisch und andererseits durch die vorhandenen Nährstoffe (also durch die Umwelt) bestimmt wird. Die Blattseneszenz im Herbst, wenn die Blätter sich verfärben und abfallen, dürfte jedem vertraut sein.
      Was ich sehr spannend finde ist, wie alt manche Pflanzen werden können. Es gibt Bäume, die viele Tausende von Jahre alt sind! Wie machen sie das? Es scheint keine geradlinige Antwort darauf zu geben, warum manche Pflanzen so viel älter werden können als Tiere. Aber es gibt ein paar wichtige Hinweise:

      Mutationen:
      Wenn Tiere (und dazu zählen auch wir) älter werden, geht einiges schief. Zum Beispiel können bei der Zellteilung Mutationen in der DNA entstehen, die dazu führen, dass die Zellen nicht mehr richtig funktionieren. Die Belastung durch Mutationen wird mit voranschreitendem Alter immer größer. Unsere Zellen haben glücklicherweise Reparatursysteme, um diese Schäden zu beheben. Aber das kostet Energie, die der Organismus sonst für andere Zwecke verwenden könnte, z.B. für die Fortpflanzung (die aus evolutionsbiologischer Sicht für eine Spezies von zentraler Bedeutung ist). Pflanzen scheinen dieses Problem nicht zu haben: Jahrtausende alte Bäume haben nicht mehr Mutationen in ihren Zellen als jüngere Artgenossen. Wie kann das sein? Eine mögliche Erklärung könnte in den Stammzellen liegen.

      Stammzellen:
      Sowohl Tiere als auch Pflanzen verfügen über Stammzellen, die sich in verschiedenste Zellarten entwickeln können und so dafür sorgen, dass es stets genügend Nachschub an spezialisierten Zellen gibt (sie sind sozusagen die Reservereifen beim Auto oder Fahrrad). Bei Tieren müssen mit dem Alter immer mehr Zellen ausgetauscht werden und die Stammzellen werden mit der Zeit aufgebraucht.
      Pflanzen haben ein zusätzliches Back-up, sozusagen Stammzellen für Stammzellen. Sie haben nämlich „ruhende Zellen“ innerhalb eines Stammzellenhaufens. Jedes Mal, wenn sich eine ruhende Zelle teilt, entsteht eine Stammzelle und eine neue ruhende Zelle. Die Stammzelle kann sich zu weiteren Stammzellen teilen, die ruhende Zelle hingegen bleibt als Reserve zurück. Diese zusätzliche Reserve ist einer der Tricks, mit dem manche Pflanzen so lang leben können.

      Keimzellen und somatische Zellen:
      Wir bestehen aus zwei Arten von Zellen: somatischen Zellen, die den Großteil unseres Körpers bilden, und Keimzellen (Spermien oder Eizellen). Diese Aufteilung wird schon bei der embryonalen Entwicklung festgelegt und bleibt ein Leben lang bestehen. Bei Pflanzen gibt es keine so klare Trennung. Sie wandeln einfach bei Bedarf somatische Zellen in Keimzellen um. Deshalb haben Pflanzen den Konflikt nicht, den Tiere haben, nämlich: investiere ich Energie in die Fortpflanzung oder in die Reparatur meiner somatischen Zellen? Bei Pflanzen verschwimmen die Grenzen.

      Das ist jetzt eine ziemlich lange Antwort geworden. Respekt an alle, die bis hierhin gelesen haben. Ich fand es jedenfalls sehr spannend, mehr über dieses Thema zu lesen, von dem ich bisher viel zu wenig wusste.

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